Pressemitteilung
Lieferengpässe bei Arzneimitteln sind hausgemacht – Kinder haben keine Lobby
Auf Einladung der ÖDP Kreisvorsitzenden Heiko Helmbrecht und Christine Ackermann berichtete der Apotheker und gesundheitspolitische Sprecher der ÖDP Bayern, Wolfgang Reiter im Hotel-Restaurant Rosenhof in Ergolding, wie es in den letzten 15 Jahren unter Mitwirkung nahezu aller Bundestagsparteien zu dem jetzigen dramatischen Notstand bei Kinderarzneimitteln kommen konnte.
Mit der Einführung von Rabattverträgen zwischen den Pharmafirmen und den Krankenkassen wurde versucht, das Preisniveau von Arzneimitteln in Deutschland zu senken. Krankenkassen sprechen von Einsparungen von 10% pro Jahr durch die Mechanismen des freien Marktes durch Rabattverträge. Was aber alle übersehen haben: Werden die Preise zu niedrig, verdienen Hersteller nichts mehr daran und steigen aus der Produktion aus. Bei Kinderarzneimitteln sind es aus diesem Grund oft nur noch ein, zwei oder drei Hersteller, was die Versorgungssicherheit extrem gefährdet. Außerdem hätten die verbliebenen Hersteller keine Motivation mehr, nach Deutschland zu liefern, weil sie in anderen Ländern mehr bekommen für ihre Arzneimittel als in Deutschland.
Bei Kinderarzneimitteln ist seit Mai 2022 (!) die Versorgung mit Fiebersäften, Antibiotika und Durchfallmitteln nur noch sehr eingeschränkt möglich. Vor Weihnachten und um den ersten April gab es in Deutschland überhaupt keine Antibiotika für Kinder mehr. Das Tragische daran: Noch im November 22 behauptete das Bundesgesundheits-
Ministerium, es gäbe gar keine Lieferengpässe, sondern nur eine „zeitliche Lieferverzögerung“. Erst Ende April 23 bestätigte das BMG offiziell den Versorgungsengpass bei Kinderarzneimitteln. Die Versorgung von Kindern wird von der Politik nicht ernst genommen!
36000 Rabattverträge gibt es momentan in Deutschland, und alle zwei Jahre werden sie neu verhandelt. Dies führe zu einem ständigen Wechsel der Hersteller und damit steige beim Patienten die Gefahr von Verwechslungen von Arzneimitteln. Dieses Problem potenziere sich mit weiteren Ausfällen bei den Rabattarzneimitteln. Außerdem sind die Rabattverträge dafür verantwortlich, dass mittelständische Hersteller von Großkonzernen aufgekauft wurden und jetzt nicht mehr zur Verfügung stehen. Das Nicht-mehr-Vorhandensein von deutschen Produktionsstätten ist die konsequente Folge der Politik der Gesundheitsminister Ulla Schmidt (SPD), Philip Rösler und Daniel Bahr (FDP), Hermann Gröhe und Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD). „In den letzten 15 Jahren wurde ein funktionierendes System der Arzneimittelversorgung konsequent an die Wand gefahren“, so Reiter.
Christine Ackermann, Kandidatin für die kommende Landtagswahl, bedauert, dass die Krankenkassen und verantwortlichen Gesundheitspolitiker es so weit haben kommen lassen. „Deutschland ist eines der reichsten Länder Europas. Und trotzdem setzen wir durch einen Discounter-Preisdruck bei den patentfreien Medikamenten unsere medizinische Grundversorgung aufs Spiel. Da läuft etwas falsch.“
Die Verquickung von Politik und Großkonzernen verhindere eine sinnvolle Politik. Reiter verwies auch darauf, dass die momentanen Steigerungen bei den Arzneimittelausgaben in erster Linie von sogenannten Hochpreis-Artikeln entstehen. Das sind Arzneimittel, die für seltene Krankheiten entwickelt wurden wie Krebsmittel, Immunsuppressiva und ähnliches. Die führen zu Kosten in Höhe 5000 – 20.000 Euro im Quartal pro Patient und genießen in der Regel Patentschutz, so dass die Hersteller die Preise selbst bestimmen können. Diese werden von den Großkonzernen wie Pfizer und MSD, USA oder Roche, Schweiz angeboten. Firmen die auch gerne Parteitage von CDU, FDP und Grünen sponsern. Interessanterweise werden diese sogenannten „Hochpreiser“ bei Spargesetzen immer ausgenommen.
Laut Reiter wird es Zeit, die Schieflage zu korrigieren und den Machteinfluss von Großkonzernen in Deutschland zu begrenzen. Er verweist hierzu auf die Programmatik der ÖDP, welche laut Satzung auf jegliche Konzernspenden verzichtet und die Abschaffung der Rabattverträge und eine mehrmonatige versorgungsnahe Lagerhaltung fordert. Auch müssen Bedingungen geschaffen werden, dass Arzneimittel und Wirkstoffe mittelfristig wieder vermehrt in Deutschland produziert werden.